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Geranien und Gartenzwerge

Oder: Das Erlebnis Dauercamping

Der Gartenzwerg ist für mich der Inbegriff des dekadenten Dauercampings

Ich und Dauercamper? So mit Geranien und Gartenzwergen? Nie. Niemals! …und dann kam Corona…

Es ist Mai 2020. Wir haben den ersten Lockdown hinter uns, langsam öffnen auch die Campingplätze wieder – zumindest für Dauercamper mit eigener Sanitärzelle. Wie wird dieser Sommer werden? Werde ich überhaupt mit Frieda auf Tour gehen können? Keine Ahnung.

Also schaue ich doch mal, ob ich für diesen Sommer einen Stellplatz finde. Wenigstens so ein klitzekleines bisschen Camping-Gefühl. Saisoncamping nennt sich das, werde ich lernen. In unserer Umgebung – also im Rhein-Main-Gebiet – gibt es recht wenige Campingplätze. So führt mich mein erster Weg an die Krombachtalsperre. Der Campingplatz liegt direkt an der Talsperre, die Sanitäreinrichtungen sind zwar stark in die Jahre gekommen, aber momentan dürfen sie ja eh nicht benutzt werden. Es könnte mir hier gefallen, zumindest für den Sommer.

Doch daraus wird nichts. Der ältere Herr, der sich als Platzverwalter ausgibt, kommuniziert mit mir in Zwei-Wort-Sätzen. “Hier nicht.” “Keine Stellplätze.” Dreht mir den Rücken zu und lässt mich stehen.

Und während mein Kleinhirn gerade noch damit beschäftigt ist, zu bewerten, was da gerade abgelaufen ist, hat mein Unterbewusstsein schon die Wut ausgekramt und mich ins Auto geführt. DANN EBEN NICHT! Freiwillig muss ich mir solche Menschen nicht antun. An die ersten Kilometer der Rückfahrt erinnere ich mich nicht mehr. Nur an das Hinweisschild “Campingplatz”. Ok, keine Ahnung, was mich dort erwartet, aber versuchen kann ich es ja mal.

Es ist der Campingpark Weiherhof in Seck/Rheinland-Pfalz, im Westerwald.


Immer wieder faszinierend: Der Sonnenuntergang am Secker Weiher.

Der Saisonplatz

Ich habe mich sofort in den Blick auf den Weiher verliebt. Deshalb war es keine Frage, dass ich mir einen Platz aussuche, von dem ich direkt auf das hübsche Gewässer blicken kann. Ja, natürlich ist das hier nicht die Provence, es sind nicht die Alpen, und es ist schon gar nicht Frankreich. Sondern der Westerwald. Aber besser als kein Camping. Der Empfang hier auf dem Weiherhof ist sehr freundlich, ich fühle mich willkommen. Der Platz ist mit rund 350 Stellplätzen recht groß, liegt an den beiden Secker Weihern inmitten eines Naturschutzgebietes.

Was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht ahne: Zwei Monate später werde ich doch wieder nach Frankreich aufbrechen…

Was ist eigentlich Dauercamping?

Meine Vorstellung von Dauercampern ist klar definiert: Sie hocken auf ihren gartenzwergverzierten Parzellen, vertreiben sich ihre Zeit damit, den Rasen auf englisch Kurzhaar zu trimmen und sich gegenseitig im Schneiden der das Grundstück säumenden Hecken zu überbieten. Das werde ich nie tun. NIEMALS!

Stopp.

Hier muss ich lernen. Bereits in meinem Saisonvertrag steht: Ich bin verpflichtet, den Rasen zu mähen, die Hecke zu schneiden und meinen Wohnwagen außen zu putzen. Neeee, oder???

Von den Nachbarn werde ich freundlich-interessiert beäugt. Ob ich die Sichtkontrolle bestanden habe, weiß ich nicht. Zumindest grüßen mich alle noch freundlich. Natürlich sind Dauercamper nicht auf Gartenzwerge und Geranien zu reduzieren. Aber es gibt schon ein paar Grundregeln, die in Stein gemeißelt sind:

ERSTENS: Es wird gegrüßt. Das kann durchaus auch lautstark morgens acht Uhr sein… ok, dann sind wenigstens alle wach:-) Oder nicht weniger lautstark über mehrere Parzellen hinweg… gut, dann haben es wirklich alle gehört:-)

ZWEITENS: Es wird mit dem Auto im Schritttempo gefahren. Wer sich nicht daran hält, wird eifrig gestikulierend darauf hingewiesen.

DRITTENS: Die Mittagsruhe ist heilig. Zu der Zeit darf das Auto nicht bewegt werden, es darf nicht gehämmert oder geklopft werden…

VIERTENS: Dauercamper helfen sich gegenseitig. Sobald es irgendwo etwas zu reparieren, bauen oder basteln gibt, sammelt sich in Minutenschnelle eine Schar Hilfewilliger um den Hilfebedürftigen. Sie packen selbstlos zu, umringt von den weniger begabten, aber mit Ratschlägen nicht sparenden Nachbarn. Am Ende wird das Werk bei einem Feierabendbier zufrieden betrachtet:-)

FÜNFTENS: Es gibt unüberwindbare Barrieren zwischen Dauercampern und (sogenannten) Durchgangscampern. Also denen, die wie ich nur im Urlaub mit ihrem Wohnwagen verreisen und dann eben auf dem Weiherhof landen. Durchgangscamper:

  • sind laut

  • halten sich nicht an Mittags- und Nachtruhe

  • rasen über die Wege

  • und stören sowieso.

Dauercamper sind da anders. Völlig anders. Natürlich.

Zu meinen beiden Nachbarinnen Rosi und Thaila entwickelt sich ein freundschaftliches Nebeneinander: Wir sitzen zusammen, und lassen uns auch unsere Freiräume. Rosi bringe ich zart bei, dass mir Nordic-Walking-Stöcke nicht so gut zu Gesicht stehen wie ihr. Und bei Thaila muss ich lernen, wie ich mit den beiden Hunden der Familie kommuniziere, damit sie bei meinem Anblick nicht glauben, ich würde ihnen nach dem Leben trachten…

Ich pflanze Geranien in meine Kästen.

Der Winter

Unglaublich, wie schnell der Sommer vergangen ist. Jetzt muss ich mir ernsthaft Gedanken machen, wie es weitergeht. Klar ist: Frieda wird nicht dauerhaft hier stehen. Dazu bin ich viel zu gern auf Achse.

Klar ist aber auch, dass Corona nicht locker lässt, der nächste Lockdown ist schon wieder zu ahnen…

Es ist nicht die Frage, ob ich auf dem Weiherhof bleibe. Mein Stellplatz gefällt mir gut, meine Nachbarinnen sind mir ans Herz gewachsen. Aber Frieda immer hier stehenlassen? Will ich das wirklich? Ich sehe schon den Gartenzwerg winken…

Egal. Ich verlängere meinen Vertrag bis zum April, dann kann ich immer noch entscheiden, wie es weitergeht. Allerdings brauche ich für den Winter ein anderes Vorzelt. Fündig werde ich – bei ebay Kleinanzeigen. Ich mache mich an die Arbeit, stelle das Zelt auf und baue einen festen Boden.




Der Gartenzwerg grinst


Wieder ist eine Saison vorbei. Es war angenehm, auch in diesem tristen Corona-Winter hin und wieder hier vorbeizuschauen und einen Ruhepunkt zu haben. Ich entschließe mich, einen Dauervertrag abzuschließen. Ja. Ich werde nun doch zum Dauercamper.


Aaaaaaber: Ich hänge Frieda natürlich nach wie vor an und fahre in die Welt. Solange es Corona zulässt.

Und ich möchte es mir doch etwas angenehmer einrichten, hier, auf meinem Platz. Mein Camping-Pavillon hat den Kampf gegen dauerhafte Wetter-Allüren verloren. Seine Haut ist spröde und rissig geworden. Ich entschließe mich, Nägel mit Köpfen zu machen und einen “richtigen” Pavillon aufzustellen. Der auf festem Boden steht und den Westerwald-Winden standhält.


Beim Aufbau des Bodens war ich blitzschnell von den oben erwähnten helfenden Händen umgeben. Glücklicher Weise hatte ich noch ein Bier im Kühlschrank:-) Danke, Timo, danke, Mike…


Der Pavillon erweist sich als Reinfall. Ich dachte, ich kaufe bei einem regionalem Anbieter und fördere so die kleinen Gewerbetreibenden. Aber falsch gedacht. Das, was mir dort geliefert wurde, entsprach so gar nicht meinen Vorstellungen an Qualität. Die Seitenwände zu kurz, die Wände schief, die Stützen so angeschraubt, dass sich der Boden vom Untergrund hebt…


Ich hätte mir gewünscht, dass die Mängel beseitigt werden. Aber dazu hatte der Anbieter leider keine Zeit. Wir einigen uns dann darauf, dass ich meine Vorauszahlung erstattet bekomme und der Pavillon wieder abgebaut wird.




Zweiter Versuch. Ich kaufe einen Pavillon bei einem der großen Anbieter und richte ihn mir ein.



Pavillon Nummer zwei. Es gibt nichts auszusetzen. Hier kann ich Sonne und Ruhe genießen.

Die Geranien blühen in meinen Containern.

Und wieder Winter

Jetzt zeigt sich, dass mein Vorzelt auch Schwachstellen hat. Die Verbindung zum Wohnwagen ist nicht wirklich wintersicher. Nach dem ersten Schneefall hat das weiße Etwas auch den Weg ins Vorzelt gefunden…

Außerdem sind die Mäuse sehr dankbar, einen warmen, gemütlichen Unterschlupf für den Winter gefunden zu haben. Bei aller Tierliebe: Ihr dürft euer Leben leben, liebe Mäuschen, aber nicht in meinem Vorzelt!

In diesem Winter lassen 30 von euch ihr Leben in meinen Fallen. Allerdings befürchte ich, mein Jagdtrieb hat die Population nicht wesentlich reduziert.



Das Dauervorzelt

Noch so einen Winter? Mit Schnee im Vorzelt und Zeltstangen, die ich ständig richten muss? Und einen Winter, der mich den Schnee vom Dach fegen lässt, weil ich Angst habe, dass es unter den Schneemassen zusammenbricht???


Nein. Ich möchte ein Vorzelt. Eins, in das ich mich bei jeder Witterung zurückziehen kann. Und das dem Winter widersteht.


Ein Anbieter ist schnell gefunden. Aus den Erfahrungen mit dem Pavillon habe ich gelernt. Ich entscheide mich für einen der großen Anbieter.


Bevor es losgeht, muss ich den Untergrund und die Leitungen vorbereiten. Natürlich möchte ich Wasser und Abwasser in mein Vorzelt legen.

Den Boden bereite ich selbst vor, schippe den Schotter breit. Beim Verlegen der Leitungen kommt mir aber Camper-Regel vier zugute: Timo hilft ohne große Aufregung. Danke, Timo. Ich hätte es womöglich nicht geschafft, den Graben in den Boden zu hacken.

Zwei Monteure der Firma bauen das Vorzelt innherhalb von drei Stunden auf. Das Ergebnis begeistert mich.


Jetzt geht es an den Innenausbau. Ich möchte das Vorzelt isolieren. Ich lerne also alles über Styropor, Styrodor und sonstige Styros…

Ich lerne, was eine Dampfbremse ist.

Ich lerne Paneelen zu verlegen.

Nach sechs Wochen ist alles fertig. Ich fühle mich hier wohl. Richtig wohl.

Mein Rücken erinnert mich daran, dass er schon 60 Lenze durchlebt hat…



Weihnachten 2022

Mein Mann schenkt mir einen Gartenzwerg…



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